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Gewonnen und trotzdem verloren

 Alemannia kehrt nach 13 Jahren wieder in die dritte Liga zurück



Es sind Spieler, die vor der Kurve zu Boden gehen, angestrengt darin, nicht gleich in Tränen auszubrechen. Doch die wenigsten schaffen es tatsächlich. Das Schluchzen jener erwachsenen Männer, die 34 Spieltage lang vergeblich um den Klassenerhalt gekämpft haben, hört man hoch bis auf die Ränge - dort, wo man selbst Tränen überströmt immer noch nicht begreifen kann, was hier gerade vor sich geht.
In einem großen Stadion, wo man sich überhaupt nicht familiär fühlt und trotzdem das Gefühl vermittelt bekommen soll, dass hier große Emotionen auf der Tagesordnung stehen, war man gerade als Sieger vom Platz gegangen. Und doch hatte es nicht gereicht, einen Abstieg noch zu verhindern.

Schon vor der Partie gegen die Münchner Löwen hatte festgestanden, dass ein alleiniger Sieg über die Hausherren aus der bayrischen Landeshauptstadt nicht genügte, um dem direkten Abstieg doch noch zu umgehen. Am Tivoli war man nämlich auf Schützenhilfe vom Karlsruher SC angewiesen, der im Spiel vor heimischer Kulisse die katastrophale Saison nicht mit einem Sieg abschließen durfte.
Auch wenn man von Eintracht Frankfurt, dem zuvor bereits festehenden Aufsteiger in die Bundesliga, nicht mehr viel erwarten konnte, glaubte man nicht nur in der Heimat noch an das Wunder. Mit dem Anpfiff in der Allianz-Arena zückte jeder Zweite das Handy - und das nicht, um die ergreifenden Minuten im möglicherweise letzten Zweitligaspiel festzuhalten, sondern um mittels Liveticker die Partie in Karlsruhe zu verfolgen. Schiedsrichter Marco Fritz pfiff die Partie im Wildparkstadion mit wenigen Minuten Verspätung an.

Bevor man sich aber darüber Gedanken machen konnte, dass man im Anschluss an die Partie möglicherweise noch zittern könnte, weil in Karlsruhe noch gespielt wurde, während in München schon Schluss war, zählte zunächst, was Schwarz-Gelb in den finalen 90 Minuten noch für den Klassenerhalt tat. Nach seiner abgesessenen Gelbsperre war Albert Streit der einzige, der nach der erfolgreichen Partie gegen den Karlsruher SC neu ins Team kam. Der Winterneuzugang ersetzte Benjamin Auer und schnappte sich auch gleich die Binde. Der Rest blieb unverändert.

Doch die genauen Personalien wurden zur Nebensache, als das Leder zum ersten Mal auf's gegnerische Tor zu rollte. Nie zuvor in dieser Saison nahm man Torchancen so bewusst wahr, wartete gespannt auf die nächste und konnte sich vor Aufregung kaum auf den Beinen halten. Alemannia war klar überlegen, doch was zählte, war das Ergebnis. Und das blieb - sowohl in München als auch in Karlsruhe - in den Anfangsminuten weiterhin unverändert.
Doch dies sollte sich mit dem nächsten Angriff der Aachener ändern: Über Uludag und Odonkor kam das Leder zu Albert Streit, der sich wenige Meter vor Tor nicht anmerken ließ, wie stark sie alle unter Druck standen, und es mit voller Wucht zum 1:0 in die Maschen jagte. Doch die Freude über den Treffer hielt nicht lange - und das nicht nur, weil auch 1860 München ihren Fans zum Abschluss der Saison noch einmal einen Sieg schenken wollte. Denn zeitgleich mit dem Streit-Tor gingen auch in Karlsruhe die Gastgeber in Führung und machten somit die Hoffnungen der Schwarz-Gelben, mit der Relegation noch eine zwei-Spiele-Verlängerung zu bekommen, zunichte.

Und es sollte noch dicker kommen für die Tivoli-Kicker, die auf dem Rasen von der Tragödie im 290 Kilometer entfernten Karlsruhe noch gar nichts mitbekommen hatten. Denn den Münchener Löwen genügte eine Glanzszene, um die alte Ausgeglichenheit im Ergebnis wieder sichtbar zu machen.
Sportlich gesehen entsprach dieses jedoch nicht den Leistungen von Schwarz-Gelb: Alemannia war bemüht, doch dies sollte nicht alleine zum Klassenerhalt reichen. Was fehlten waren die Tore, Mangelware in dieser Saison, doch nicht in diesem Spiel.
Denn heute war alles - wie schon in den Spielen unter Aussem zuvor - gänzlich anders, als in den Spielen der Restsaison. Vorbereiter Alper Uludag hatte das Leder dieses Mal von Timo Achenbach aufgelegt bekommen und sich aus 20 Metern ein Herz gefasst. Ein Tor, möglicherweise Tor-des-Monats-reif, dass die Alemannen weiterhin im Rennen hielt. Doch um auch dieses Rennen zu gewinnen benötigte es einen weiteren Treffer im Karlsruher Wildparkstadion - und zwar dieses Mal von der gänzlich anderen Seite.

Doch der Treffer der Eintracht blieb aus - bis zur Halbzeitpause und dem Schlusspfiff durch Schiedsrichter Fritz, wenige Minuten nach dem in der Allianz Arena. Auch wenn die Alemannia ihre Führung über die Zeit rettete, brachte diese nicht den gewünschten Erfolg. Und so begannen die Sekunden, in dem sich das Schreckliche offenbarte: Alemannia war abgestiegen - und keiner wollte es so wirklich wahrhaben.
Es entstanden Bilder, die auch Tage danach noch unbeschreiblich schwer anzuschauen sind. Über 4.000 in Schwarz und Gelb gekleidete, die zurück auf die Sitze sinken, sich den Kopf stützen und Gefühlen freien Lauf lassen. Alle jene, die Kraft dazu finden, klatschen die Hände derer ab, die ebenfalls am Boden zerstört ihre letzten Kräfte auftreiben, um denen zu danken, monatelang hinter ihnen standen - und auch weiterhin hinter ihnen stehen werden.

Denn auch wenn die Alemannia durch den Abstieg in die dritte Liga vor einem riesengroßen Scherbenhaufen steht, wird dies die Fans nicht dazu bringen, jetzt einfach ohne weiteres das Feld zu räumen. Und obgleich alle Verträge der Kicker eine Klasse tiefer keine Wirkung mehr haben, ist auch ein Großteil dieser nicht gewillt, beim Neuaufbau nicht tatkräftig mitzuwirken. Nach der Bestätigung, dass zumindest Trainer Ralf Aussem den Weg in Liga 3 mitgehen wird, liegt es jetzt lediglich an den Spielern. Wer macht den ersten Schritt? Wer bekennt sich zur Alemannia?
All diese Fragen sollen in den nächsten Wochen geklärt werden, wo es schon am 20. Juli wieder zur Sache geht. Vorerst hatten am gestrigen Mittwoch alle Akteure der Schwarz-Gelben ihren letzten Arbeitstag. Wer dann am 10. Juni zum Trainingsauftakt wieder auf dem Platz stehen wird, ist ungewiss. Dass sowohl Mirko Casper als auch Tobias Feisthammel zu jenen nicht mehr gehören werden, die auch im nächsten Jahr ihre Schuhe für die Alemannia schnüren werden, steht schon jetzt fest. Casper wird in der nächsten Saison für Bayer Leverkusen II auflaufen, "Feisti" verschlägt es zum SC Paderborn, der in der abgelaufenen Spielzeit die Relegationsplätze zur ersten Bundesliga ankratzte. Denn der SCP will nach oben und hat sich damit ein ähnliches Ziel wie Schwarz-Gelb gesetzt!

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