Alemannia schafft die Pokalsensation gegen Eintracht Frankfurt
Ein Krimi zum Jahresabschluss.
Die Partie vor vollen Rängen hatte eigentlich alles zu bieten, was man von einem spannenden Fußballkrimi erwartete. Das Flutlicht brannte auf die Köpfe der 32.160 Zuschauer, die Tabak-Original-Tribüne war vom S-Block aus aufgrund des tiefstehenden Nebels kaum zu erkennen und wenn man beobachtete, unter welch einem tobendem Applaus die Alemannen empfangen wurden, konnte man schon ahnen, dass der Abend erfolgreich einschlagen würde. Nach 120 Spielminuten und einem kribbelnden Elfmeterschießen wurde diese 'Vorahnung' dann bestätigt. Erstmals seit 2007 steht die Alemannia wieder wieder im Viertelfinale des DFB-Pokals.
Niemand anderes als Eintracht Frankfurt war am Mittwoch (20:30 Uhr) auf dem Tivoli zu Gast, als zum Achtelfinale des DFB-Pokals gerufen wurde. Der Jahreshöhepunkt stand für die junge Truppe um Trainer Hyballa an und erstmals seit dem Eröffnungsspiel gegen St. Pauli war die 'Hütte' wieder voll. Bevor die das Team von Peter Hyballa jedoch wieder Geschichte schreiben konnte, musste der jüngste Trainer aus Liga Eins und Zwei zwei derbe Rückschläge einstecken. Nachdem Aimen Demai offiziell mit einer Wadenzerrung abgedankt hatte, gab auch der Arzt Stiebers wenige Stunden vor dem Spiel den Ausfall seines Schützlings bekannt. Stieber hatte der Magendarmeffekt doch heftiger getroffen und konnte das Spiel somit nur von der Tribüne aus begutachten.
"Stiebi hat geheult wie ein Schlosshund.", berichtete Hyballa nach dem Spiel. "Es tat mir schon Leid für ihn. Doch jetzt muss er erstmal gesund werden."
So hatte Hyballa keine andere Wahl, als eine ähnliche Elf wie gegen Bielefeld auf den Platz zu schicken. Während David Hohs wie gewohnt zwischen den weißen Pfosten stand, bildeten Thomas Stehle, Tobias Feisthammel sowie die beiden Außenverteidiger Casper und Achenbach die Viererkette. Die blutjunge Raute im Mittelfeld setzte sich aus Kevin Kratz auf der 'Sechs', Marco Höger und Manuel Junglas auf den Außenbahnen und Tolgay Arslan hinter den Spitzen um Kapitän Auer und Babacar Gueye zusammen. Den Kader komplettierten neben den A-Jugendspielern Patrizio Frau, Daniel Engelbrecht, Andreas Korte und Sebastian Jansen die Profis Juvhel Tsoumou und Henrik Ojamaa.
Wenige Minuten später wurde den Alemannen dann von Schiedsrichter Weiner gewissermaßen unter die Arme gegriffen. Nachdem Gueye im Sechszehner von Schwegler von den Beinen gerissen wurde, zögerte Weiner nicht lange, zückte den roten Karton und zeigte gerechtfertigt auf den Punkt. Ein Geschenk des Himmels für die Alemannia. Doch wie der Mann neben mir wie einst Victor von Scheffel folgerichtig titelte 'Es hat wohl nicht sollen sein'; denn als Marco Höger zum fälligen Strafstoß antrat wählte der Elfmeter-Schütze die selbe Ecke wie Keeper Fährmann und vergab somit die riesen Chance zur Führung (15.).
In Überzahl ließen sich die Tivoli-Kicker nicht schocken vom vergebenen Führungstraum und spielten die Partie munter weiter. Man hatte keine Angst vor'm 'großen Gegner', nutzte Lücken in der gut besetzten Abwehrreihe. Kratz kam über links, steckte zu auf Auer, doch der Torjäger scheiterte an Keeper Fährmann. Die Alemannen hatten klar die besseren Chancen. Doch wie man es gewohnt war in diesem turbulenten Jahr schaffte man es nicht diese zu verwerten. So wartete man vielmehr darauf, dass die Eintracht ihre Qualitäten unter Beweis setzte. Eine knappe viertel Stunde vor dem Ende der ersten Halbzeit brachte man Ansätze davon dann auch auf: Blitzschnell konterten die Rot-Schwarzen nach einer Ecke der Aachener, Jung spielte lang auf Gekas, welcher keine Mühe hatte Hohs zu umspielen - doch das Aluminium rettete für die Neon-Gelben das verdiente Remis (32.). Auch im weiteren Verlauf vor der Pause brachten die in Unterzahl spielenden Frankfurter ihre letzten Kräfte auf. Vorallem Gekas ackerte im Sechzehner der Aachener, blieb in seinen Situtationen gegen Hohs jedoch sieglos.
Wenige Minuten später rief Schiri Weiner dann zum Pausentee. Während die Alemannia auf langer Distanz ihr Revier markieren konnte, schlugen die Frankfurter von hinten zu und bereiteten den Aachener somit deutliche Schwierigkeiten.
Nach einer kurzen aber harten Kabinenansprache Hyballas schickte der junge Trainer seine Elf unverändert auf den Platz. Diese eingeschworene Elf hatte kurze Zeit später dann auch die erste große Möglichkeit im zweiten Durchgang. Auers Schuss aus 16 Metern wurde von Keeper Fährmann pariert, auf der Gegenseite musste Hohs beim Schuss von Meier nicht eingreifen.
Klare Torchancen waren in Halbzeit Zwei ebenfalls Mangelware. Nur selten schafften es die Jungs von Trainer Hyballa durch die gutstehende Abwehr der Hessen; Kratz' Ecken kamen zeitweise nicht über den ersten Pfosten raus (Hyballa: "Ich hab ihn in der Halbzeitpause hoch an die Wand gedrückt und gesagt: Wenn du noch einmal solche Standard-Situationen machst, dann hast du ein riesen Problem mit mir. Und glaub mir: Du willst kein Problem mit mir haben"), was nach knapp einer gespielten Stunde einen gutdurchgeführten Konter der Frankfurter nach sich zog und Keeper Hohs zu einer Parade zwang, dennoch malochte die Reserve-Elf weiter und gab sich in diesem Spiel 'David gegen Goliat' noch lange nicht geschlagen. Ganz im Gegenteil: Nach einer besseren Standard-Situation Kratz' vergab Casper einen platzierten Kopfball nur knapp (65.).
Schon zum Einläuten in die 'Schlussphase' konnte man beiden Teams ansehen, dass sich keiner mit einer Niederlage zufrieden geben würde. Nachdem Hyballa mit dem Wechsel Tsoumou für Gueye für den jungen Spieler einen Traum wahr machte (noch einmal gegen seinen Ex-Club, und das im Pokal, antreten zu dürfen), hatte dieser schon in der ersten Berührung mit dem Ball die Möglichkeit zur Führung, doch der Kongolese erwischte Högers Flanke nicht mehr (81.). Ein Distanzschuss Arslans war dann die letzte Szene in der zweiten Halbzeit. Da es nach 90 Minuten immer noch 0:0 zwischen den beiden Rivalen stand, leitete Schiri Weiner weiter zur Verlängerung.
Psychologisch gestärkt verteilte man sich nach dramatisch wirkender 'Pausenabsprache' auf dem Feld wieder in die eigene Hälfte; und kaum hatte man als Fan auf der Tribüne seine Augen wieder explizit auf das Spielfeld gerichtet, so erlebte man ein schieres Wunder. Der Pechvogel der ersten Halbzeit Höger machte mit einem feinen Linkschuss den verschossenen Elfmeter wieder wett und brachte die Bude wahrlich zum beben. Nach knapp 93. Minuten brachte der junge Mittelfeldakteuer seine Elf in Führung und trug somit zu einem Fast-Wunder bei. Doch wie man es bei der Alemannia ja langsam gewohnt war, schafften diese es erneut nicht, die Führung zu halten. Man setzte sich ein bisschen in den Hintergrund und schaute dem Gegner bei seinen Zügen zu. Fenin kam knapp 5 Minuten nach der Höger-Führung frei im Strafraum der Tivoli-Kicker zum Zuge und läutete so zum erneuten Remis ein (98.).
Wie die Fans ihrem Team demonstrierten, nicht aufzugeben, steckte die Hyballa-Elf den Gegentreffer gut weg und gab nun wieder Vollgas, doch die Spitzen um Auer und Tsoumou fanden nur in Fährmann ihren Meister (100.).
Nach dem Seitenwechsel schatten sich die Gäste in den Hintergrund ab. Aus Aachener Sicht wollte man das ganze noch in der Verlängerung entscheiden, die klaren Torchancen für die Neon-Gelben blieben jedoch aus. Die letzte Chance im Spielbetrieb hatten dann wiederum die Hessen: Theofanis Gekas tauchte nachdem Höger versucht hatte zu klären fast frei vor Keeper Hohs auf, der sein Team mit den Fingerspitzen ins folgende Elfmeterschießen parierte.
Nachdem Eric van der Luer schon fünf Minuten vor Ende von Coach Hyballa die Anweisung bekam, das voraussehbare Elfmeterschießen zu 'planen', bat der Trainer persönlich in der letzten Absprache vor dem großen Highlight seine Jungs zu einem Statement. Jeder seiner Akteure sollte ihm noch einmal tief in die Augen gucken ihm zu verstehen geben: "Ja, Trainer, ich mach den rein!", verriet Hyballa im Anschluss. Nachdem sich Junglas als erster Spieler voller Zuversicht als Schütze meldete, wies der übliche Elfmeter-Schütze ab - verständlich, da der junge Alemanne ja in Halbzeit eins schon einen Elfmeter vergeben hatte. Abwehrmann Achenbach wurde vielmehr zum Strafstoß gezwungen, bevor Arslan ähnlich wie Junglas seinem Trainer zusagte. Kratz bewies dann ebenfalls Teamgeist und wank dankend, ehe Abwehrchef Stehle mit den Worten "Du schießt!" ebenfalls zum Strafstoß verdonnert wurde, markierte Auer dann den fünften Schützen.
Schiri Weiner gab das Tor vor der Südtribüne als bespielbares Tor an und dann ging's auch schon los im ersten Elfmeterschießen der Alemannia seit 2004. Als erster Schütze trat Junglas an, verwandelte dann sicher zur 1:0 Führung, ehe für Frankfurt Fenin unter starkem Pfeifkonzert antrat und Hohs mit einem platzierten Schuss in den Winkel keine Chance ließ - 1:1.
Achenbach verwandelte im Anschluss dann zum 2:1, ehe Meier locker zum Punkt trabte, noch einmal ein schiefes Gesicht zum S-Block warf und dann das Leder über die Querlatte zimmerte. Arslan hatte dann die Chance die Führung auszubauen - gab Fährmann mit einem Hammer durch die Mitte keine Chance zum Halten. Der Frankfurter Caio erhöhte dann zum 3:2, ehe die Axt mit ein wenig Glück den Ball in Fährmanns Kasten setzte - den Hessen noch dran schnuppern lassend, wie Stehle nach dem Spiel scherzte. Für Frankfurt musste der neu eingewechselte Amanatidis jetzt treffen - verwandelte zum 4:3. Benny Auer konnte als 5. Schütze jetzt den Sack zumachen. Der Kapitän lief zum Punkt und entschied mit dem Abschluss dann das weiterkommen ins Viertelfinale. Erstmals seit 2006 erreicht die Alemannia damit die nächste Runde; stockt damit westenlich das Budget auf und beschert damit den Fans ein unglaubliches Vorweihnachtsgeschenk.
Mit dem Treffer des Kapitäns wusste man auf der Südtribüne nicht mehr wohin mit seinen Gefühlen. Während die einen begannen zu heulen oder sich die Seele aus dem Leibe krächzten, feierte man zusammen mit der Mannschaft einen hartumwogenen Kampfsieg. Nach einem weihnachtlichen 'Klinglöckchen', angestimmt von Stadionsprecher Robert Moonen und einem von den Fans angeschlagenen 'Humba', griff Höger selbst zum Mikrophon und heiterte die Fans dazu an, mit ihm zusammen in das bekannte Fanlied Kaiserstadt AC einzustimmen - eine schöne Geste, mit welcher Höger seine Verbundenheit zum Verein bewies und die Stimmung unter den 32.160 Fans noch weiter hoch. Die Bude kochte nun, man forderte das Trainerteam vor den Wall und auch die Verletzten um Stieber, Müller & Co. verdienten sich noch eine Extra-Runde. Köstlich mit anzusehen dabei war das Getanze des auf Krücken angewiesenen Deutsch-Türken Alper Uludag.
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