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Hoffnung ist kein Kochrezept


Unter einem "angenehmen Fußballsonntag" versteht ein Großteil der Schwarz-Gelben Anhänger wohl eher, zu Hause vor Kamin und Fernseher zu sitzen, anstatt sich schon am frühen Morgen, in klirrender Kälte, in Richtung Spielstätte zu begeben; schon gar nicht dann, wenn diese rund 260 Kilometer von der Heimat entfernt liegt.
Trotz alledem waren auf der Autobahn in Richtung Frankfurt am Main unzählige Aachener unterwegs, unschlüssig, vielleicht, ob sich das Ganze auch wirklich lohnen würde. Traf ihre Alemannia schließlich auf den Tabellenzweiten, den ungeschlagenen Bundesligaabsteiger, der einzig und allein das Ziel verfolgte, schnellstmöglich dahin zu gelangen, wo er hergekommen war. Vom Tabellenvorletzten wollte man sich dabei nicht in die Suppe spucken lassen.

Auch ohne Kochrezepte war sich Chefcoach Funkel sicher, den Frankfurtern ihre Suppe mächtig versalzen zu können. Hierfür vertraute der alteingesessene Fußballlehrer diesmal auf diejenigen, die in den letzten Wochen eher selten in Erscheinung getreten waren. So orderte er beispielsweise Shervin Radjabali-Fardi und Kevin Kratz (nach Leisten OP) zurück in den Kader, neben welchen auf der Ersatzbank Namen wie David Odonkor, Sergiu Radu und Marco Stiepermann Platz nahmen. 
Nicht nur die personellen Änderungen des Trainers wurden schnell sichtbar, ließ man seinen Blick einmal über die Startformation schweifen. Im neuen 3-5-2 System agierte man mit einer Dreier-Abwehrkette, die ebenfalls einen Namen enthielt, der schon länger nicht mehr in aller Munde gewesen war: Thomas Stehle. "Die Axt" sollte neben Seyi Olajengbesi und Tobias Feisthammel für eine gefestigte Defensive sorgen. 
Im defensiven Part des Mittelfelds kamen Kim Falkenberg und Timo Achenbach über Außen, während Aimen Demai die typische Sechser-Position markierte. Im offensiven Part durften Ray Yabo und Bas Sibum von Beginn an ran; Manuel Junglas bekam den Vorzug gegenüber Sergiu Radu, womit Auer in diesem seinen neuen Sturmpartner fand.


Mit einem Sieg über die Tivoli-Kicker konnte sich die Eintracht vorübergehend den Platz des Spitzenreiters sichern, womit die Motivation der Hausherren umso mehr anstieg. Aus diesem Grund war es nahezu absehbar gewesen, dass sie die Aachener mit ihrem sichern Auftreten in den ersten Minuten gänzlich beeindrucken würden. Dass dieses allerdings gleich zu einer Stockstarre der Gäste führte, in welcher diese nicht einmal einen geraden Pass über fünf Meter zu Stande brachten, hätten selbst diese nicht für möglich gehalten.
So war es kein Wunder, dass man sich als Gästefan in der Commerzbank-Arena auf etwas gefasst machen musste. 

In den frühen Anfangsminuten hatte man noch einmal durchatmen können, als der Ball das erste Mal Berührung mit dem Aachener Tornetz machte. Zwar hatten es die Hessen geschafft, das Leder über die Linie zu drücken, allerdings hatte ihnen Schiedsrichter Osmers einen Strich durch die Rechnung gemacht und den Treffer nicht gelten lassen.
Doch es war zunächst das letzte, tiefe Durchatmen, welches sich durch die Gästekurve zog. Schon wenige Minuten später hatten es die Kicker der Eintracht besser gemacht und neuerlich den Ball im Kasten der Schwarz-Gelben versenken können. Keeper Waterman hatte sich die Kugel mit links vorgelegt, um mit rechts abzustoßen, war dabei neben den Ball getreten und hatte Torschütze Idrissou somit ein leichtes Spiel gemacht; der Frankfurter musste nur noch einschieben - Waterman blieb geschlagen am Boden zurück.
Es blieb bei weitem nicht der einzige, bittere Rückschlag an diesem Tag, denn schon der nächste stand unmittelbar in den Startlöchern: Erneut war es Idrissou, der über Rechts kam und dort seelenruhig in den Strafraum flanken konnte. Über die Hereingabe des Torschützen rutschte Demai, Köhler ließ Keeper Waterman mit einem relativ unplatzierten Schuss aus 11 Metern neuerlich ziemlich alt aussehen.

Nur zwölf Minuten waren nötig gewesen, um die ersten zu den Worten "Lasst uns geh'n, bringt doch eh' nichts mehr!" zu bewegen. Die Alemannen enttäuschten auf ganzer Linie, lieferten ein Spiel ab, das sich nicht mal mehr auf Zweitliganiveau bewegte.
Kein gerader Pass fand seinen Abnehmer, setzte man sich einmal in einem Zweikampf durch, so landete das Leder schon im nächsten wieder beim Gegner. Die Alemannia machte nicht den Anschein, als wolle man den Gegentreffern in irgendeiner Weise trotzen. Hinten offen wie ein Scheunentor fand die Alemannia vorne nicht den Zug zum Tor.
Das Resultat, die Eintracht spielte befreit auf, hatte man beim Abstiegsaspiranten scheinbar nichts mehr zu verlieren, wo man doch schon so früh mit 2:0 in Führung lag.

Abgesehen von der Tatsache, dass Trainer Funkel in der Halbzeitpause zwei neue Kräfte von der Bank brachte, regte sich nichts im Aachener Spielablauf. Sergiu Radu sollte die zweiten 45 Minuten die Aachener Offensive bewegen, Shervin Radjabali-Fardi sollte noch einmal beweisen, warum er (zurecht) unter Hyballa Stammspieler gewesen war. Für die beiden neuen Kräfte durften Thomas Stehle und Bas Sibum in Hälfte Zwei die Bank wärmen.
Erst 12 Minuten vor Abpfiff der Partie erlebten die Schwarz-Gelben Anhänger ein Aufbäumen. Feisthammel war aufgerückt und schlug den Ball in den Sechszehner, wo Auer das Leder mit einem feinen Hackentrick ins rechte untere Eck beförderte. Doch die Freude der Aachener sollte nicht von langer Dauer sein, beförderten die Hessen die Kugel schon im direkten Gegenzug auf anderer Seite in den Kasten. Durch einen Schuss aus der Distanz hatte Hoffer den alten Abstand wieder hergestellt, doch die Alemannen waren bissig hinterher, wollten in den Schlussminuten unbedingt noch einmal anknüpfen.
Acht Minuten vor Schluss schlug Achenbach das Leder noch einmal in den Strafraum, wo Radu unbedrängt zum Kopfball hochging und stark verwandelte.

Nur noch einen Treffer vom Ausgleich entfernt war die Freude auf den Rängen nicht mehr in Worte zu fassen. Wo man aufgehört hatte, Stimmung zu machen, wurde jetzt wieder auf die Trommeln geschlagen und fordernde Gesänge los gelassen. "Schießt ein Tor für uns!", hallte es von der Tribüne. Das ließen sich die Schwarz-Gelben Jungs auf dem Rasen nicht zwei Mal sagen, als Demai aus gut 25 Metern einen Freistoß an's Lattenkreuz zimmerte, von wo aus der Ball an Nikolov abprallte und hinter die Linie sprang.
Was in Sachen Emotionen auf den Rängen abging war nicht in Worte zu fassen und wahrscheinlich auch nicht mit denen zu vergleichen, die man nun vor dem Fernseher empfand. Man hatte das Spiel komplett auf den Kopf gestellt, hatte die Menge doch noch jubeln lassen. Noch gut zwei Minuten waren zu spielen und man ersehnte sich schon den endgültigen Pfiff des Schiedsrichters herbei, als dieser den Frankfurtern den letzten Freistoß in der gegnerischen Hälfte zusprach.
Schwegler schickte die Kugel auf die Reise, Matmour kam im Strafraum vor jeglichem Gegenspieler zum Ball, während Keeper Waterman dem Gegenspieler mit leeren Händen entgegen lief - und ihn nicht fasste.


In Frankfurt ließen die Schwarz-Gelben ebenso drei Punkte wie jegliche Hoffnung, schnellstmöglich aus dem Tabellenkeller zu entkommen, zurück. Getreu dem Motto "Die Hoffnung stirbt zuletzt" hatte man ein Spiel erst dann wirklich verloren, als es danach aussah, als würde der kleinen Sensation nichts und niemand mehr im Wege stehen. Als die Menge tobte, kein Halten mehr fand, und schlussendlich niedergeschlagen zu Boden ging.
Wo einst enthusiastische Schlachtrufe erklangen blieb beim Abpfiff nicht mehr als beängstigende Stille. Ein jeder ließ die Köpfe hängen, hatte die Sprache verloren, als der Abgrund vom Paradies nur einen Schritt entfernt war. Wohin man blickte starrte man in enttäuschte Gesichter mit leeren Blicken, ein jeder verzweifelt, gezeichnet vom Abstiegskampf, der die Alemannia mitten in der Saison nun komplett in seinen Bann gezogen hat. Und aus dem so schnell kein Ausweg mehr in Sicht ist.


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