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Auch kein Sieg zum Jubiläum

Drei Punkte Nullen hinter der 1




Wir schreiben den 16. Dezember 1900, die 18 Schüler, die den Grundstein der heutigen Alemannia markieren sollten, trainieren wie immer gemeinsam auf dem Kasernengelände der Marienthaler Kaserne, südlich des Kapuzinergrabens in Aachen, als sie auf die wahnwitzige Idee kommen, einen eigenen Fußballverein zu gründen. Was aus den ersten Anfängen erstand, findet sich jetzt - fast 111 Jahre später - zumindest in der ewigen Tabelle der zweiten Bundesliga ganz oben wieder. Mit der Partie gegen den MSV Duisburg (zum Vergleich: die Zebras aus dem Ruhrgebiet liegen mit 628 Spielen nur auf Platz 15.) hat die Alemannia ihr 1000. Zweitligaspiel bestritten und ist damit der Verein dieser Klasse, der es am längsten in ihr ausgehalten hat.

In allen Spielzeiten seit 1963 hat die Alemannia die Liga nur drei Mal verlassen, kehrte mit dem Abstieg aus der ersten Liga (Aufstieg 1967) 1970, mit dem Aufstieg aus der dritten Liga (Abstieg 1990) 1999 und dem Abstieg aus der ersten Liga (Aufstieg 2006) 2007 allerdings immer wieder zurück. So markiert die zweite Fußballbundesliga nun schon 28 Jahre lang, mit nur wenigen Ausnahmen, die Heimat der Schwarz-Gelben. 
Ein Verein mit viel Zweitligatradition also war es, der am Sonntag die Urkunde des DFBs überreicht und zum Jubiläumsspiel viel Erfolg gewünscht bekam. 
Mit dem MSV Duisburg empfing die Alemannia einen Verein, der in der aktuellen Saison an ähnlicher Stelle wie die Alemannia steht. Weit abgeschlagen vom angestrebten vorderen Tabellendrittel befinden sich die Kultklubs im düsteren Tabellenkeller, spielen dieses Jahr gegen den Abstieg anstatt - wie zumindest vor wenigen Jahren noch - um den Aufstieg in die Bundesliga. 
Mit diesem Vorwissen ist jetzt ersichtlich, warum das Spiel gegen den Mitkonkurrenten neben all den geschichtlichen Hintergründen so von Bedeutung war. Im Abstiegskampf zählt nunmal jeder Punkt, schließlich entscheiden diese später um den Verbleib in Liga Zwei und die Talfahrt in Richtung Liga Drei.

Vor fast ausverkaufter Hütte (31.180 Zuschauer) hatte sich die Alemannia nun das Ziel gesetzt, den zweiten Dreier der laufenden Spielzeit einzufahren. Eine Woche vor der Pleite im Derby gegen Bochum hatte man in der letzten Partie vor heimischer Kulisse den ersten Punktgewinn einfahren können, sodass man nun natürlich an dieses Erfolgserlebnis anknüpfen wollte.
Auch wenn man aus Bochum keine Punkte mit an den Tivoli brachte, schenkte der Ex-Coach der Blau-Weißen exakt der Elf des letzten Spieltags sein Vertrauen. Demnach durfte Boy Waterman zwischen den weißen Pfosten ran, die Abwehrreihe davor bestand aus Kim Falkenberg, Tobias Feisthammel, Seyi Olajengbesi und Timo Achenbach. Im 4-4-2 System markierten Bas Sibum und Aimen Demai die Doppelsechs, während David Odonkor und Ray Yabo über Außen stürmten. Kapitän Benny Auer, der im letzten Heimspiel gegen den FC Ingolstadt seine letzte Bude gemacht hatte, sollte im Duo mit Sergiu Radu beweisen, warum man ihn vor rund drei Jahren an den Tivoli geholt hatte und seither nicht mehr abgeben wollte.
Schwungvoll ging es dann auch direkt los am proppevollen Tivoli. Einige Alemannen hatten ihren Platz noch gar nicht richtig eingenommen (meine Wenigkeit gehörte dazu) als die 30.000 Schwarz-Gelben ihre Bude das erste Mal zum kochen brachten. Die erste Möglichkeit, der erste Schuss, das erste Tor: Nach einer Ecke von Timo Achenbach gelang der Ball zu Sergiu Radu, der am langen Pfosten unbedrängt zum Ball kam und das Leder ins Tor köpfte. 

Während die Fans auf den Rängen noch feierten, hatte der MSV Duisburg längst schon wieder einen klaren Gedanken gefasst. Die Gäste aus dem Ruhrgebiet ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, legten ihr Konzept auch nach dem Gegentor konsequent an den Tag. So gelang es den Zebras, fortlaufend das Steuer in die Hand zu nehmen und die Aachener Hintermannschaft weit in die eigene Hälfte zurück zu drücken. Boy Waterman wurde so mehr gefordert, fasste Versuche von Domovchiyski zu Anfang allerdings immer sicher.
Auf der Gegenseite kam die Alemannia nur noch aus der Entfernung oder durch Standards zum Torabschluss. Weil Keeper Fromlowitz die schwachen Abschlüsse der Alemannen gut abschätzen konnte, kamen die Schwarz-Gelben nicht zum erneuten Torerfolg.
Im Gegenteil zum Gastgeber hatte hatte der MSV keine größere Mühe, den Sechzehner der Tivoli-Kicker zu erreichen. Nachdem Keeper Waterman eine Situation im Strafraum gut gegen Brosinski geklärt hatte, war es der eigene Mann, der wenig später eine erneute Szene einleitete, die dann auch zum Torerfolg führte. Innenvertediger Olajengbesi hatte beim Rückpass per Kopf nicht auf den Hintermann geachtet, womit das Leder unglücklich in den Besitz von Domovchiyski kam. Der Stürmer hatte im Duell gegen Waterman im Gegensatz zu seinem Kollegen das bessere Auge und ließ dem Schlussmann der Schwarz-Gelben mit seinem platzierten Schuss keine Chance.

Auch nach dem Ausgleichtreffer der Gäste agierte die Elf von Trainer Funkel weiter planlos. Auch wenn man die flötengegangene Führung schnell wieder herstellen wollte, gingen diese Versuche meist buchstäblich in die Hose.
Die Weiß-Blauen dahingegen fanden immer wieder den Zug zum Tor, hatten wenige Minuten nach dem ersten Treffer gleich die Chance zum nächsten, weil Brosinski den Ball im Sechszehner allerdings verstolperte, machten sich die Duisburger selbst einen Strich durch die Rechnung.
Denn auch weitere Versuche blieben erfolglos, nachdem die Alemannia für kurze Zeit die Riemen noch einmal an sich gerissen hatte, allerdings ebenso wie der MSV scheiterte, verabschiedeten sich beide Teams in die Kabinen.
Nach einer ordentlichen Ansprache schickte Friedhelm Funkel sein Team unverändert zurück auf den Rasen, der Trainer auf der anderen Seite machte ihm es gleich.

Mit ähnlich viel Schwung wie in Halbzeit Eins starteten die Schwarz-Gelben auch in die zweite Hälfte. Allerdings reduzierte sich dieser Schwung auf das, was aus den Standardsituationen der Tivoli-Kicker entstand. Mehrere Ecken der Schwarz-Gelben brachten Keeper Fromlowitz zwar dazu, sich wieder aktiv am Spielgeschehen zu beteiligen, viel Gefahr versprühte die Aachener Offensivmannschaft allerdings nicht.
Nach gut einer Stunde war dies der erste und einzige Grund für Friedhelm Funkel, sein Team rotieren zu lassen. Für Reinhold Yabo stand eine viertel Stunde nach Wiederanpfiff Marco Stiepermann auf dem Platz, Torschütze Radu sollte von Manuel Junglas ersetztet werden.
Funkels taktischen Maßnahmen schienen schnell Früchte zu tragen, hatte Manuel Junglas schließlich schon Sekunden nach seiner Einwechslung die erste Chance zur erneuten Führung, fand jedoch in Schlussmann Fromlowitz seinen Meister.

Im Anschluss sorgten beide Teams für ein Wechselbad der Gefühle auf den Rängen: Nach einer langen Flanke in den Strafraum kam Andre Hoffmann viel zu frei zum Ball, Torhüter Waterman konnte nur zusehen, wie das Leder über seinen Kopf im eigenen Kasten landete.
Dahin nicht nur die Führung, der MSV schien das Spiel gedreht zu haben, dachte man noch, als der Tivoli neuerlich bebte. Die Alemannia hatte sich vom Gegentreffer alles andere als beirren lassen und richtig reagiert. Mit dem Anstoß leitete Manuel Junglas einen Traumpass in die Spitze ein, auch wenn Kapitän Auer gegen den Schlussmann der Blau-Weißen zu scheitern schien, konnte Fromlowitz das Leder nicht richtig fassen, sodass es zurück sprang, am eigenen Mann abprallte und langsam ins Tor kullerte. Vom Stadionsprecher wurde Benjamin Auer das Tor zugesprochen, auch wenn eigentlich Abwehrmann Branimir Bajic den Körper dazwischen gebracht hatte - wie dem auch sei, die Alemannia war direkt zurück im Rennen, es war wieder alles drin und das war nunmal das Wichtigste.

Die letzten Minuten der Partie wurden somit noch einmal richtig spannend, wollte sich schließlich keines der beiden Teams mit einer Punkteteilung zufrieden geben. So flogen noch einmal die Fetzen, hier und da kamen noch einmal die Ellbogen raus, der Zug zum Tor war zwar vorhanden, doch die Offensivakteure beider Mannschaften scheiterten am Schlussmann der Gegner oder an sich selbst.
So blieb es auch nach neunzig Minuten beim gerechten Remis. Zum tausendsten Spiel konnte die Alemannia ihre Fans nicht mit einem Sieg beglücken, hatte ihnen allerdings gezeigt, dass sie bereit waren, zu kämpfen, statt sich nach einem Gegentor einfach hängen zu lassen.
Über die Länderspielpause wird die Alemannia auf dem 17. Tabellenplatz verweilen, weil man aufgrund der Tordifferenz den punktgleichen Tabellennachbarn FC Ingolstadt hinter sich gelassen hat. Eine Woche später ist die Alemannia dann beim Tabellen Zweiten Eintracht Frankfurt zu Gast, wo man die Sensation schaffen und gegen den Aufstiegsaspiranten einen Dreier einfahren möchte.

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