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Noch 12 Siege

Einst hatte man der 40-Punkte-Marke nur wenig Beachtung geschenkt und immer nur spaßeshalber, mitten in der Saison, von Klassenerhalt geredet. Doch jetzt, nur wenige Monate später, markiert dies das bittere Saisonziel. Als Schlusslicht der zweiten Bundesliga hat die Alemannia den schlechtesten Saisonstart aller Zeiten hingelegt, mit dem mageren Tor in Pauli einen neuen Negativrekord aufgestellt.
Während sich der Optimist an die Tatsache klammert, dass nicht einmal ein Drittel der laufenden Spielzeit schon verstrichen ist, hat der Pessimist die Alemannia längst abgeschrieben, sie als den ersten der zwei direkten Absteiger festgemacht. Und der Realist? - "Wir brauchen nur noch 12 Siege."

Der erste Dreier wäre ein Anfang, um die Fans wieder an eine Alemannia mit Zukunftsperspektive glauben lassen zu können - das wusste auch Trainer Funkel, der bei seinem Debüt gegen Union Berlin ziemlich alt ausgesehen hatte, als er ohne Punkte wieder zurück in die neue Heimat reisen musste.
Um wenigstens die Premiere vor heimischem Publikum glücken zu lassen, stellte der erfahrene Fußballlehrer sein Team neuerlich auf diversen Positionen um. Erneut durfte Hohs für den verletzten Waterman ran, der sich die Länderspielpause über aus zu kurieren hat. Wie in der letzten Woche startete die Abwehrreihe dahingegen unverändert. Jonas Strifler ersetzte fortführend Fardi, der nach seiner verletzungsbedingten Pause unter der Woche wieder ins Training eingestiegen war und zudem die Ersatzbank zierte. Neben dem Neuzugang von Dynamo Dresden bestand die Viererkette aus Olajengbesi, Feisthammel und Achenbach. Im 4-4-2 markierten Bas Sibum und Kevin Kratz die Doppelsechs, während über die Außen Ray Yabo und Alper Uludag stürmten. Wie sein Kapitän feierte der Türke sein Comeback in der Startelf, Benny Auer bildete zusammen mit Sergiu Radu ein erfahrenes Sturmduo.

Marco Stiepermann hatte die Neuerungen am schmerzlichsten zu spüren bekommen, denn die Dortmundleihgabe durfte zusammen mit dem weiterhin gesperrten Manuel Junglas nur von der Tribüne aus zugucken. Dafür hatte Funkel weiterhin Namen im Hinterkopf, die am Tivoli nicht einmal vom Stadionsprecher genannt worden waren. Neben bekannten Namen wie Odonkor, Stehle und Fardi saßen Kim Falkenberg, Fabian Bäcker und Lennart Hartmann auf der Ersatzbank.
Diese Umstellungen schienen ihre Früchte zu tragen, denn die Alemannia präsentierte sich in den Anfangsminuten grundlegend anders, als in den vergangenen Partien. Schwarz-Gelb war Spielbestimmend und gab den Hessen nur selten die Gelegenheit, überhaupt bis vor's Tor von David Hohs zu kommen. Wenn dem allerdings so war, dann machte man dem Begriff Torgefährlichkeit aber auch alle Ehre. Hauptakteur Chrisantus scheiterte in den Anfangsminuten jedoch häufig an Keeper Hohs.
Auf der Gegenseite fehlten dahingegen wieder die entschiedenen Zentimeter: Eine genaue Hereingabe von Uludag verpasste Abwehrrekke Olajengbesi nur knapp, das Leder ging Zentimeter am rechten Pfosten vorbei.

Wie man es von der Alemannia kannte stand man hinten zwar weitesgehend kompakt, doch auch vorne ließ man nichts anbrennen. Wenn der Ball einmal in den Strafraum der Gäste flog, dann fand er nur selten einen Abnehmer. Benjamin Auer hatte häufiger die Chance, vorne endlich alles klar zu machen, scheiterte dabei allerdings meist an sich selbst.
Weil man es vorne wieder zu nichts brachte, hatte man sich am Tivoli schon wieder auf einen torlosen Halbzeitstand eingestellt, als Stark an der Strafraumgrenze zu Boden ging. Auf Handspiel plädierend musste der von Strifler gefoulte Angreifer allerdings sofort weiter spielen, da Schiedsrichter Willenborg die Tätigkeit des Aacheners ungeahndet ließ.
Auch wenn es für die Frankfurter in Halbzeit Eins nichts mehr wurde, mussten sich die Anhänger der Schwarz-Gelben nicht mit einem torlosen Pausenstand zufrieden geben.

Tobias Feisthammel konnte sich noch vor dem Pausentee ordentlich feiern lassen. Der Innenverteidiger sorgte dafür, dass der Tivoli endgültig Kopf stand. Nach einer präzisen Flanke Uludags ging der Abwehrmann zum Kopfball hoch, traf das Leder genau und erziehlte damit nicht nur das zweite Saisontor der Alemannen, sondern auch von sich selbst. Erstaunlicherweise hatte man noch im letzten Jahr zu hören gekriegt, dass der ehemalige Zuwachs vom VfB Stuttgart "nichtmal im Training Tore schießen kann", als er in der vergangenen Saison sein erstes und einziges Tor erziehlte. In der laufenden ist er am 10. Spieltag jetzt sogar "Torschützenkönig".

Obwohl die Alemannen vom eigenen Treffer gestärkt nach vorne spielten, blieb es bis zur Pause beim erfreulichen Stand von 1:0.
Nach ordentlicher Kabinenansprache schickte Funkel sein Team ohne einen Wechsel vorgenommen zu haben zurück auf's Feld, während sich beim Gegner ein bekanntes Gesicht warm machte: Babacar Gueye sollte es in den verbleibenden 45 Minuten für Hofmeier richten, fand, wie bekannt, allerdings nur mäßig ins Spiel, obwohl er Hohs schon ab dem ersten Ballkontakt zu prüfen begann.
Die Alemannen kamen insgesamt noch viel schwerer zurück ins Spiel als der ausgeliehene Senegalese. Es dauerte nicht lange, da musste die Funkel-Elf daraus Konsequenzen ziehen: Chrisantus überlief Feisthammel nach einem Konter total und vollstreckte präzise ins linke, untere Eck.

Weil durch den Gegentreffer in Alemannias Offensive nun entgültig die Luft raus war, reagierte Funkel prompt. Er brachte Geheimwaffe Odonkor für Yabo, der schon in seiner ersten Aktion hätte glänzen können: Nachdem Kratz im Strafraum der Ball versprang und dieser postwendend zu Auer gelang, legte dieser für den WM-Helden ab, der sofort abzog und Klandt somit zu einer Parade zwang.
Es blieb bei einem kleinen Windstoß, der sozusagen die Ruhe vor dem Sturm markierte. Denn im direkten Anschluss zog der FSV davon - und schien fortan nicht wieder einholbar. Nach einem mageren Versuch Gueyes zeigte Mitspieler Chrisantus dem Sturmkollegen, wie man es besser zu machen hatte: Nach einem Freistoß gelangte das Leder zum Nigerianer, der Hohs mit dem Kopf keine Chance ließ.

Der FSV hatte das Spiel gedreht und Chrisantus der Alemannia die Laune vermasselt. Im direkten Anschluss brachte Funkel Fardi für Uludag, der noch einmal frischen Wind in die Partie bringen sollte, doch der große Sturm hatte den Tivoli-Kickern längst den Boden unter den Füßen weggerissen.
Wie ausgewechselt konnten sie nur zugucken, wie Chrisantus auch noch seinen dritten Streich hinterherschob, der damit nicht nur seinen Hattrick sondern auch das finale Endergebnis besiegelte.

Dicke Luft auf den Rängen, bei Fans, die am Freitag alle nach einander die Köpfe hängen ließen. "Wir sind Aaachener und ihr nicht!" durften sich die Spieler von den eigenen Anhängern anhören, die mehr als gefrustet rund 20 Minuten auf das gesamte Team einredeten und ihnen versuchte weis zu machen: "Wir ham' die Schnauze voll!"
Die Mannschaft harrte aus, begab sich - wohl ebenso gefrustet - zu denen, die ihren Unmut lautstark äußerten. Man starrte in ratlose Gesichter, egal welchen Blick die eigenen Augen fanden. Man konnte Benjamin Auer beobachten, der sich neben seinen Mitspielern und sogar Erik Meijer in die Menge begeben hatte, wie er häufiger die Schultern nach oben zog, als wolle er sagen: "Ich weiß doch auch nicht, was wir jetzt noch machen sollen."
Der Realist würde sich jetzt wieder zu Wort melden und einschieben "Gewinnen müssen wir!" - doch das ist bei der Alemannia halt zur Zeit leichter gesagt als getan.
Alemannia steckt in einer Krise, das sollte am Tivoli jetzt so langsam selbst der Letzte begriffen haben. Was für einen Ausgang diese finden wird - und vor allem wann - bleibt ungewiss. Fest steht, dass die Alemannia alleinig den Weg daraus finden kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Wenn alle wieder "als Einheit auftreten.", wie Kapitän Benjamin Auer es in seine eigenen Worte fasst. "Wichtig ist jetzt aber, dass wir zusammen halten, und zwar Fans und Mannschaft!"

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