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Den Mainzern geh'n die Lichter aus

     - Stieber: Das war das schönste Spiel meines Lebens!

Ganz leise wurde die rot-weiße Ecke der Mainzer, als Schiri Gagelmann die Pfeife in die Hand nahm und dem Spiel ein Ende setzte. Der Rest des Stadions verweilte noch einige Zeit am gestandenen Ort; applaudierend und stolz. Und warum? Weil am Tivoli etwas geschehen war, was man als Öcher sobald nicht mehr wieder vergessen mag..

David gegen Goliat. Mit diesen einfachen Worten hätte man noch vor der Partie das Kommende beschreiben können. Der Tabellenführer der ersten Bundesliga war zu Gast auf dem Tivoli - da war es irgendwie ja auch verständlich, dass die Presse den großen Mainz 05, welcher in der Liga bislang erst einmal geschlagen wurde, seit Wochen als Favorit betitelte. Aus Aachener Sicht wollte man sich so natürlich nicht abstempeln lassen! Nach einem fulminanten Spiel gegen den VfL Bochum am Sonntag hielt Hyballa seine Rede kurz. ›Auf Mainz konzentrieren.‹, hieß es. Schließlich wolle man ja ›gewinnen.‹ Um dieser Rede Taten folgen zu lassen schickte Hyballa eine nur leicht veränderte Elf auf den Platz. Für den verletzten Florian Müller rückte Mirko Casper in die Viererkettette zwischen Thomas Stehle, Tobias Feisthammel und Timo Achenbach. Auf der 'Sechs' agierte trotz Verletzungbedingter Auswechslung beim Spiel gegen Bochum wie gewohnt Kevin Kratz. Außen wirbelten die beiden Youngster Alper Uludag sowie Marco Höger. Vor den beiden Spitzen Benjamin Auer und Zoltán Stieber flitzte Tolgay Arslan auf der 'Zehn' hin und her. Im Kasten der Schwarz-Gelben stand wie gewohnt David Hohs.

Es war nicht nur ein sonderbares Ereignis, dass anstatt eines Zweitligaclus auf einmal der Tabellenführer der ersten Liga auf der Matte stand. Ebenfalls war ein Spieler zu Gast, der den heutigen jungen Wilden zu seiner Alemannen-Zeit ein Vorbild war. Der das geschafft hatte, was sie sich erträumten: in der ersten Elf der A-Mannschaft zu stehen. Wo Lewis Holtbys Weg hinging, ist jedem bewusst: Er trennte sich von der Alemannia um zum FC Schalke zu wechseln. Nach nur knapp einem Jahr lieh dieser ihn dann an den VfL Bochum aus. Holtbys Reise ging dann zu Anfang des Sommers in die rheinhessische Richtung. Beim Highlight gegen seinen Ex-Club durfte der Erkelenzer da natürlich keines Falls fehlen! Auch er stand zu Beginn der Partie auf dem Rasen.

Doch anfänglich bewies der Favorit nicht gerade, dass er als solcher betitelt werden wollte. Mainz war nicht aggressiv genug in ihren Angriffen. Die Alemannen setzten dazu auf Druck nach nur kurzen Ballverlusten der Gästen. Ihr offensives Pressing, dazu ein gestandenes Gerüst im Mittelfeld und die nur schwer auseinanderreissbare Abwehr waren den Mainzern dabei ein Dorn im Auge - es infernen kam ihnen jedoch nicht in den Sinn. Die Alemannia entwickelte sich klar zum dominierenden Team, hatten schier keine Scheu, keine Angst vor dem großen Gegner aus Mainz und schienen diesen damit zu überrumpeln. Stiebers, Auers, sowie Uludags Versuche in den Anfängen brachten jedoch nicht den gewünschten Torerfolg.
Es dauerte dann knapp 20 Minuten bis die Mainzer mit der neuen Situation klar gekommen waren, ihr erster Torversuch jedoch kein Problem für Torwart Hohs im Alemannen Tor.
Sensation-Kulisse: 25.657 Zuschauer lockte die Alemannia
Es waren zeitweise kleine Brüche im Spiel. Diesen ersten hätte man wohl als 'Die Ruhe vor dem Sturm' bezeichnen können. Denn direkt im Anschluss erfolgte etwas, das für einen Ausbruch der Gefühle sorgte: Nach einer Stieber Flanke im Richtigen Moment kam der Ball zu Benny Auer der vor heimischer Kulisse das erste Pokaltor im neuen Tivoli-Schoss. Auf der Tribühne herrschte seitdem pure Party. Die Fans waren nahezufassungslos, dass ihre kleine Alemannia die großen Mainzer so gut im Griff hatte - und sogar führte! Dementsprechend ließen die Jungs auf dem Platz ihre Fans auf den Rängen nach diesem Mut machenden Treffer nicht im Stich und setzten da an, wo sie aufgehört hatten. Mit aggressiven Pressing, kurzen, sauberen Pässen versuchte man die Mainzer schwindelig zu spielen und somit gelang es, einige Male mehr als der Erstligist an den Strafraum anzustoßen; Uludags Weitschuss ging jedoch knapp am rechten Pfosten vorbei (27.). Dass man die Mainzer nicht ganz ausschalten konnte, wurde spätestens im Anschluss bewusst; Alaguis Treffer vor der Halbzeit wurde aufgrund einer angeblichen Abseitsstellung jedoch nicht gegeben. Nach einem nur kurzen Verschnaufen und Durchatmen setzten die Aachener wieder an. Kratz Freistoß setzte der Ex-Leverkusener nur knapp über die Latte - Kapitän Auer erwischte das Leder falsch am Fuß und setze daneben. Mit dem Halbzeit-Pfiff fiel der Stein ein wenig vom Herzen der Alemannia-Fans, die rasten als die Spieler sich in die Kabine verabschiedeten - denn langsam konnte man sagen, dass sich die Partie zu einem Duell auf Augenhöhe entwickelt hatte; und doch hatte die Alemannia die Nasenspitze noch etwas vorn'.

Lewis Holtbys Rückkehr, die er selbst als Reise ›back to the roots.‹ bezeichnete, fand schon nach 45 Minuten ein jähes Ende, indem er für die zweite Halbzeit Platz auf der Ersatzbank nahm. Vielleicht, weil er emotional so unter Strom stand, dass seine Gedanken um viel mehr schweiften und er sich nicht mehr konzentrieren konnte. Vielleicht aber auch nicht. Wir wissen es nicht genau - mit seinem rätselnden Gesichtsausdruck, mit dem er aus der Kabine zurück kam, verdeutlichte er, dass er da wohl selbst nicht ganz eine Antwort fand. Für ihn stand Marcel Risse auf dem Feld; die Schwarz-Gelben zogen ohne Wechsel in Halbzeit 2.

Es machte jedoch nicht den Anschein, als würde dieser Wechsel große Früchte tragen. Die Mainzer versuchten zwar , Druck zu machen, wurden jedoch immer wieder von den neon-gelben Jungsfrühst gestört und leiteten mit blitzschnellem Umschalten Konter im eigenen Stadion ein. Die Partie zerrte nun wirklich an den nerven der angereisten Fans. Hin und her ging es. Zoltán Stieber hatte mit einem Volley Schuss das 2:0 auf dem Fuß, scheiterte jedoch an Keeper Wettklo (50.). Auf der Gegenseite bot sich ein ähnliches Bild; die Mainzer Stürmer scheiternden jedoch ebenfalls am Keeper der Gästemannschaft.
Das von Peter Hyballa geforderte Schnelle umschalten, den Kopf bewahren und mitdenken bewies sich auch beim fast entschiedenen Schuss, dem Schuss des Tages. Als die Mainzer mit einem abgefangenen Ball einer zuvor gekommenen Flanke schon mit dem Angriff abgeschlossen hatte, stürmte Marco Höger in den Rücken der Abwehr und zimmerte das Leder perfekt ins linke Eck - Ein Kunstschuss, die Entscheidung? Natürlich nicht.
Wie hätte man bei so einer Partie nur von vorzeitiger Entscheidung reden können? Es ging heiß her, niemand war mit dem Ergebnis so zu Frieden. Die Aachener wollten's noch deutlicher machen, um vielleicht doch von vorzeitiger Entscheidung sprechen zu können, die Mainzer waren am Anschlusstreffer dran.
Knapp 10 Minuten nach dem 2:0 erfüllte sich dann einer der Wünsche der beiden Teams - und zwar der der Mainzer. Blitzschnell, wie aus dem Nichts, tauchte Szalai nach Schürrle-Flanke vor Keeper Hohs aus und lenkte das Leder geschickt mit dem Kopf ins Tor (68.).
Den Alemannen-Fans perlte wahrlich der Schweiß von der Stirn. Noch knapp 20 Minuten hieß es, das beste aus der Situation zu machen - und bloß nicht noch einen hinten rein kriegen! Mit den Wechseln von Junglas für Arslan, sowie Gueye für Auer, machte der Trainer jedoch auch klar, dass man sich nicht hinten reinstellen sollte - was gegen Mainz ein wahrlich großer Fehler gewesen wäre - sondern weiter die Offensivchancen nutzen und auf das 3:1 Endergebnis drängen sollte.
Der Druck in der Schlussviertelstunde war dann wirklich Nervensache. Beide Mannschaften hielten auch nach 90 Minuten das Tempo gewaltig hoch - eine Reihe hinter mir brüllte man schon fünf Minuten vor Ende ›wann der denn endlich abpfiffe‹. Es war einfach nicht mehr auszuhalten. Dann noch eine Ecke für die Mainzer in der Nachspielzeit und man hätte diese Anspannung - nein, man konnte sie spüren! Die Erleichterung, die dann zu Ende von all den Schultern der Schwarz-Gelben Fans - sowie Spieler - fiel artete in bombastisches Toben aus. Die Mannschaft wurde minutenlang gefeiert: die Fans hingen auf den Zäunen, nach dem Humba nahm man sich die Fahne der Ultras und schwenkte sie auf dem Elfmeterpunkt. Man hatte Mainz geschlagen! Den Tabellenführer der ersten Fußballbundesliga! Und das nicht nur Glück, sondern durch Beweis dessen, was da in ihr steckt. Der jungen Alemannia. Zurecht verweilte mannoch minutenlang, applaudierend, auf den Rängen und bereitete den Spielern einen würdigen Abgang nach diesem grandiosen Spiel, das bestimmt so schnell nicht wieder vergessen werden wird.

Und die Mainzer und ihre Anhänger? Die wurden zum Ende der Partie immer kleiner - und leiser. Da war wohl jemand sprachlos. Doch man fand diese Sprachlosigkeit ja nicht nur im Mainzer Abteil. Auch die Alemannen und ihre Kicker im Interview fanden nicht so richtig die Worte. Keeper David Hohs stammelte nur vereinzelt ein paar Worte in die Kamera, Benjamin Auer erklärte wieder einmal warum  und wieso das alles so wichtig war und wer besonders von allem profitiert. Und was sagt der Mann der Partie, abermals die ungarische Wunderwaffe Zoltán Stieber, zum Sensations-Sieg über einen Bundesligisten? ›Das war das schönste Spiel meines Lebens!‹

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